Das Mysterium der Träume
„Wir erträumen unsere Wirklichkeit“
Ein Satz, dessen Urheber sicherlich auf allen Kontinenten; in unzähligen und oft vergessenen Kulturen zu suchen sind. Ein Satz eigentlich mit Sprengkraft. Denn welch unfassbare Freiheit enthalten doch diese Worte in ihrer Kernaussage. Über die umfassende Bedeutung dieser Aussage und der subjektiv daraus folgenden Aufforderung zur Eigenverantwortung ließe sich ein Menschenleben lang meditieren.
Und: wer ist eigentlich gemeint mit diesem „Wir“?
Alle Menschen?
Unsere belebte Umwelt?
Spannende Fragen, über die Interessierte Antworten in mündlichen Überlieferungen, Literatur, Kunst und vor allem dem eigenen Erleben als Mensch alle Zeit zu suchen und zu finden bereit waren.
Der Begriff „Traumzeit“, welcher aus den verschiedenen Sprachen der australischen Ureinwohner übersetzt ist, bezeichnet den Schöpfungsvorgang als ein Geschehen ohne Anfang, welcher einer Quelle jenseits von Raum und Zeit entspringt und alles Seiende formt. Das „Diesseitige“ oder auch real Existierende ist hier Folge des Jenseitigen. Hier ist der sich webende Schöpfungsprozess; die Materialisierung unserer Alltagswelt genauso gemeint wie unsere Ahnen, die Geister, und andere körperlose Wesen.
So mystisch uns diese „Sicht“ erscheinen mag, so sehr fasziniert sie uns auch. Unsere Seele trägt die Sehnsucht und - so sage ich - die Erinnerung an diesen heiligen Vorgang in sich.
Musik, Kunst allgemein – alle Inspiration – trägt in sich das Bedürfnis des Menschen, diese Spuren und Erinnerungen auszudrücken, ja, sich jenem besagten Quell allen Seins verbunden zu fühlen.
Überlieferungen aus dem alten Mexico besagen, der Mensch habe zwei Seelen. Sie nennen sie „Tonal“ und „Nagual“, Das Tonal ist hier das Alltags -oder Tagesbewusstsein, welches vor unserer Inkarnation als Mensch sich webt aus vorherigen Erlebnissen und Prägungen, unseren Emotionen und unserer Physis, in welcher unsere genetische Disposition wie auch die unserer Ahnen lebt - kurz: das Tonal als richtungsgebenden Anteil unseres individuellen Seins als Persönlichkeit in diesem Leben.
Das Nagual ist unsere sogenannte spirituelle Seele, welche – aus einer „Quelle außerhalb von Raum und Zeit“ und somit im Eigentlichen frei von menschengeformten religiösen Dogmen, Moralvorstellungen und dem, was wir unter Karma verstehen, durch uns wirkt. Das Nagual ist unendlich und hierin eigentlich nicht greifbar für Verstand und Kontrollbedürfnis.
Das Nagual – unsere spirituelle Seele – IST.
Es durchdringt uns als Subjekt und gleichzeitig Alles, was ist. Es verbindet sich als spirituelle Seele mit uns auf Erden und ist gleichzeitig Weltenseele und darüber hinaus.
Ein Mysterium.
Das Träumen ist der Wirkungsbereich des Nagual. Hier schöpft es aus sich selbst heraus sich selbst. Ob Tag- oder Nachtträume – zum sogenannten „Blütenträumen“ kommen Tonal und Nagual zusammen. Sie begegnen sich und tanzen ihren Schöpfungstanz.
Ob Traumyoga, luzides Träumen, Traumexerzitien, Kraft,- Blüten,- oder Klarträumerei genannt: das Träumen ist Spiritualität, ist Schamanisieren in Aktion. Hier wirkt Seelenkraft.
Natürlich sind die Erkenntnisse der Neurologen, Biologen und Psychologen immens wichtig. Neben den Klarträumen sind die sogenannten Verarbeitungsträume und die Aufräumarbeiten, welches das Hochleistungsorgan Gehirn Nacht für Nacht absolviert, überlebensnotwenig.
Überhaupt: es gibt verschiedenste Traumarten. Nicht alles, was wir erinnern, ist Blütentraum - und wenn wir morgens aufwachen ohne jegliche Traumerinnerung bedeutet dies mitnichten, dass wir nicht luzide, also bewusste und steuerbare Traummomente erlebten.
Auch hier gibt es einige überlieferte Erkenntnisse aus dem alten Mexico. Hier existiert eine ausführliche Beschreibung der Traumwelten. Laut dieser bewegen wir in unserer rationalisierten Welt uns meist im Schlaf wie gefangen im „Land der Toten“, ohne uns zu wahren Blütenträumen aufschwingen zu können. Das „Land der Toten“ meint hier die Ebene, wo unerlöste Ahnenthemen auf uns ebenso lasten wie belastender Alltagsstress und Emotionen.
Quälend wirre Bilder, trieb- und affektgesteuert, halten uns hier im Unbewussten und verhindern spirituelle Erkenntnisse und wahre Selbstbestimmung. Albträume zeigen uns sehr unangenehm das Festhängen in bisweilen unheimlichen astralen Ebenen.
Hier zeigt sich die im schamanischen Kontext „Mittelwelt“ genannte Dimension als undurchdringlich empfundene Dimension.
Es braucht hier die Bereitschaft für den Wechsel unserer Sichtweise. Die Lust auch, eine Metaebene einzunehmen um über den Tellerrand des altbekannten „Kleinklein“ zu schauen.
Unser Herzenswunsch, alte Geschichten abzustreifen, beschleunigt die Fähigkeit zum Klarträumen übrigens ungemein.
Klar ist: um das Potential des Träumens auch mit unserem Tonal, also bewusst, erkennen zu können, bedarf es Wunsch, Disziplin, Geduld und Nachsicht mit uns selbst.
Und immer wieder auch die Erinnerung: unser Weltbild formt unsere Wirklichkeit und unser Fokus setzt auch hier starke Energie frei.
Ein gut durchdachtes Traumexerzitium wirkt sich als Synchronizität mit oft erstaunlichem Erfolg auf unser Leben aus. Unserem Körper gelingt es, den Kampf- und Fluchtreflex aufzulösen, schädlicher Stress wandelt sich zu Gelassenheit und wir bekommen tieferen Kontakt zu unserer Essenz.
Innere und soziale Konflikte, bevorstehende Herausforderungen, sind tatsächlich „im Schlaf“ erstaunlich transzendierbar.
Je tiefer wir uns den Erkenntnissen dann hinzugeben bereit sind, welche das Zusammenspiel von Traum- und Wachzustand uns sanft und doch eindrücklich aufzeigen, desto weicher, liebevoller, und ja: demutsvoller können wir dem Wunder unseres Lebens und dem aller uns umgebenden Wesen und Welten begegnen.
Und so frage Dich: was willst Du träumen?
Denn wer einmal erlebte, wie sehr ein Traum auf unsere Alltagsrealität und somit unsere Psyche, unseren Körper und unser menschliches Miteinander wirkt, der wird sich diese Frage immer wieder stellen.
Das Potential des geübten und dann bewussten Träumens liegt in jedem von uns verborgen. Heben wir diesen Schatz!
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Dominique (Donnerstag, 17 November 2022 08:14)
Das „Land der Toten“ trifft diesen Zustand wirklich sehr gut, wenn man unbewusst traumatisiert ist.
Ich beschäftige mich gerade viel mit Trauma und habe festgestellt, dass in diesem Zustand auch am träumen sind.
Entrückt, von etwas, was wirklich ist. Also, kann ich auch versuchen meinen traumatischen Zustand bewusst träumerisch zu wandeln.
Da alles Traum ist und ich mich nun bewusst entscheide, meine Traumwelt neu zu durchweben.
Wie im Gehirn, wo andere Weichen gestellt werden?
Lg Dominique